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First Responder - Wie ein Einsatz abläuft

Samstag früh gegen drei Uhr weckt mich ein lauter werdendes Klingeln "Dudu-dü-dudu-dü". Parallel beginnt mein Handy zu vibrieren und nach ein paar Sekunden ebenfalls zu piepsen: Eine Einsatzalarmierung ist eingangen. Der Melder zeigt das Stichwort "EINSATZ 1047" gefolgt von einer Adresse.

Die Zahl 1047 verrät uns mehr Details zum Einsatz - die erste Ziffer (eine 1) bedeutet "RTW mit Signal", also mit Blaulicht und Horn. Stünde dort eine 4, wäre es ein Einsatz mit Notarzt. Die zweite Ziffer sagt, dass es nur der Rettungsdienst ist, keine Polizei und keine Feuerwehr. Die letzten beiden Ziffern kodieren die Einsatzursache. Die 40er sind alles Stürze. Auswendig lernen müssen wir das allerdings nicht: Auf dem Handy steht dann auch "Sturz, RTW mit Signal" und eine weiterführende Bemerkung des Leitstellendisponenten.

Ich stehe auf, bestätige den Einsatz auf dem Handy und ziehe mir Klamotten drüber. Dann schnappe ich mir meine Einsatzjacke und die Ausrüstung (Kreislauf-/Trauma-Rucksack, Atmungs-Tasche, AED) und laufe zum Auto. Die Jacke klingt seltsam, aber insbesondere nachts und bei Unfällen dienen die Reflektoren der Sicherheit. Und der Wiedererkennungswert für Patienten und andere Helfer ist sehr wichtig: Sie wissen sofort, dass man nicht als Gaffer kommt, sondern um zu helfen.

Wenn ich die Zieladresse nicht bereits kenne (so groß ist Dußlingen ja nicht), navigiert mich die Alarmierungsapp zum Ziel. Da wir meistens mit privaten PKW unterwegs sind, erfolgt die Anfahrt ohne Blaulicht oder Horn, nach den normalen Regeln im Straßenverkehr. Zum Glück staut es sich in Dußlingen selten. Eigene First Responder/HvO-Einsatzfahrzeuge wären hier eine Beschleunigung, aber der Ortsverband muss die Ausstattung komplett selbst bezahlen und selbst für die medizinische Ausrüstung eines Responders alleine sind wir schon bei etwa fünftausend Euro.

Am Ziel angekommen, schnappe ich mir die Ausrüstung und laufe zum Patienten. Eine Kollegin ist kurz vor mir angekommen, sie hat ihre eigene Ausrüstung mit. Vor Ort erwartet uns dann ein Patient, der die Treppe heruntergefallen und dort liegengeblieben war. Er kann nicht mehr aufstehen, eine Platzwunde am Kopf blutet stark.

Beim Eintreten stellen wir uns kurz vor. Während wir Verbandsmaterial auspacken, fragen wir den Patienten nach dem Unfallhergang und ob er (außer der Platzwunde) noch andere Schmerzen hat. Er verweist auf seinen Arm, Halsschmerzen hat er keine. Nach einem sehr kurzen Traumacheck, helfen wir dem Patienten sich aufzusetzen. Bei Unfällen kann es zu Verletzungen an der Halswirbelsäule kommen. Wenn das Risiko besteht, sollten Drehungen des Halses verhindert werden. Bis zum Eintreffen des RTW sichere ich den Kopf des Patienten - auch und gerade beim Aufsetzen. Die Kollegin wischt dem Patienten etwas Blut aus dem Gesicht, damit wir die Verletzung genauer sehen und legt ihm einen Druckverband an. Danach prüft sie seinen verletzten Arm: Das Handgelenk stellt sich als offensichtlich gebrochen heraus, sie legt eine Schiene an. Diese wird zuerst am eigenen Arm grob abgeformt, dann am gesunden Arm des Patienten. Die Schiene wird von der Hand bis zum Ellenbogen gelegt, dann Arm und Schiene verbunden. Danach bekommt der Patient noch ein Pulsoxy an einen Finger der gesunden Hand. Während die Kollegin ihn versorgt, befrage ich parallel den Patienten zum Unfallhergang (er war gestolpert) und zu weiteren Verletzungen, Problemen (keine) und zur medizinischen Vorgeschichte und Medikamenten.

Als wir das Blutdruckmeßgerät auspacken, trifft der RTW ein. Wir übergeben den Patienten - die bisherigen Maßnahmen, Unfallhergang und Diagnose werden genannt. Wir ergänzen noch die Größe der Platzwunde und den geschätzten Blutverlust (das lässt sich, zumindest grob, über die Größe der Blutlache abschätzen), die Kollegen aus der Regelrettung überprüfen unsere Maßnahmen. Dann messen sie noch den Blutdruck. Nach einem Traumacheck entscheidet der Notfallsanitäter, dass eine weitere Immobilisation des Halses nicht erforderlich ist und es geht ab in den RTW: Der Patient kann selbstständig laufen, ein Kollege aus dem RTW und meine Kollegin stützen ihn auf dem Weg. Ich packe die Taschen und den Müll zusammen und folge ihnen dann.

Während der Patient eingeladen wird, kriegen wir vom RTW unser verbrauchtes Material (Verbandspäckchen, Mullbinden, eine Schiene) zurück. Die RTW-Besatzung klärt den Klinikplatz und dann geht es mit dem Patienten auch schon los.

Für uns war der Einsatz beendet, als der Patient im RTW war. Wir säubern unser Material, verpacken den Ersatz, desinfizieren unsere Hände und fahren heim. Zu Hause wird der Einsatz dann noch protokolliert.

Aus Datenschutzgründen wurde hier kein echter Einsatz beschrieben. So oder so Ähnlich sind allerdings einige erfolgt bzw. laufen die meisten unserer Einsätze ab. Etwa 2-4 Minuten nach der Alarmierung sitzen wir im Auto. Die Fahrt braucht meistens 1-4 Minuten. Etwa 6-10 Minuten nach der Alarmierung trifft dann meistens auch der RTW ein. Man sieht schon: Manchmal ist der RTW schneller, meistens sind wir allerdings ein paar Minuten vor dem RTW da. Die Einsätze dauern dann zwischen wenigen Minuten (RTW vor uns da, keine Hilfe erforderlich) und 30-60 Minuten (größere Einsätze, lange Diagnosephase vor Ort, Tragehilfe). Danach erfolgt die Fahrt zurück und das Aufräumen/Protokoll. Insgesamt brauchen wir für einen Einsatz im Regelfall zwischen 10 und 90 Minuten mit einem Schwerpunkt um die 30 Minuten.

Was uns erwartet wissen wir nie so ganz genau. Häufig sind die Einsatzstichworte korrekt. Die meisten Einsätze verlaufen unspektakulär: Wir sind nur kurz vor dem RTW da, bis auf eine erste Diagnose und Übergabe gibt es für uns nicht viel zu tun. Dußlingen liegt hier auch sehr gut: Viele RTW fahren von der Wache in Derendingen an, die RTW sind oft schneller in Dußlingen als in ungeschickt gelegenen Teilen des Stadtgebietes Tübingen. Bei den meisten Einsätzen können wir nur unterstützen und beruhigen. Aber die Kollegen von der Regelrettung haben teilweise extrem viel zu tun, die Fahrzeuge brauchen dann doch länger als sonst. Auch gibt es regelmäßig Fälle, in denen auch eine Minute einen relevanten Unterschied macht. 

Wir fahren weiterhin gerne :-)